Unser Flug von Shenzen nach Guilin um 22:00 wird gestrichen. Das Boarding startet zwar pünktlich - was für Shenzhen sehr ungewöhnlich ist - und wir sitzen angeschnallt im Flieger, iPod eingestöpselt und Nackenkissen aufgeblasen. Nach rund 20 Minuten müssen wir jedoch wieder aussteigen, denn das Wetter in Guilin lasse momentan keine Landung zu. Vielleicht sei ein Start in drei Stunden möglich - also warten wir. Und warten. Die Menge lichtet sich, ein Shop nach dem anderen macht die Luken dicht und Bodenpersonal wird rar. Als wir gegen halb zwei Uhr morgens nur noch eine Handvoll Leute sind, versuchen wir, jemanden mit genaueren Infos aufzutreiben. Nicht ganz einfach, denn das Flughafenpersonal spricht kaum Englisch. Wir werden schliesslich einem Angestellten zugeteilt, der zwar auch nicht englisch kann, dafür aber sein App Chinese-English-Translator im Griff hat - ein Segen. Wir erfahren, dass der Flug endgültig gestrichen ist, und wir in ein ***-Hotel verfrachtet werden würden. Uns schwant Schlimmes und wir überlegen ganz kurz, die Nacht am Flughafen zu verbringen, bevor wir uns dann doch in die Warteschlange beim Bus stellen. In einem voll besetzten Bus werden wir mitten in der Nacht eine halbe Stunde lang durch Shenzhen chauffiert und vor dem Hotel abgeladen. Die Zimmerzuteilung hat den Touch eines Handelstages an der klassischen Börse - hektisch - aber letztenendes auch schnell. Wir sind von unserer Absteige positiv überrascht, denn wir haben eine chinesische Raucherhöhle erwartet. Um drei Uhr morgens liegen wir im Bett. Nach drei Stunden Schlaf werden wir schon wieder abgeholt und um 09.15 Uhr geht der Ersatzflieger nach Guilin - das Wetter hat sich zwischenzeitlich zum Glück gebessert.
Bereits im Anflug sehen wir die Kalksteinfelsen rund um Guilin. Unser B & B liegt in einem herzigen Stadtteil und bereits am ersten Abend machen wir einen kurzen Ausflug auf einen der Karstfelsen. Hier haben wir einen wunderbaren Ausblick auf die Stadt und die umliegenden Hügel. Am folgenden Tag machen wir die obligate Flussfahrt auf dem Li River. Tausende Touristen werden täglich in Booten von Guilin nach Yangshuo gefahren. Die Hügellandschaft links und rechts ist sogar auf der 20 Yuan-Note verewigt. Die Passagiere sind - bis auf uns und ein Pärchen aus England - alles Chinesen, denn Guilin ist vor allem bei den Chinesen eine beliebte Feriendestination. In Yangshuo angekommen, mieten wir zwei eBikes und eine Touristenführerin. Sie führt uns in den verbleibenden drei Stunden rund um Yangshuo und die Karstfelsen. Das Städtchen selbst gefällt uns auch und lädt zum bummeln ein. Wir haben das Gefühl im chinesischen Interlaken gelandet zu sein. Am späteren Nachmittag werden wir mit dem Bus nach Guilin zurückgefahren. Auf der Rückfahrt staunen wir über die kompromisslose Umsetzung der Gestaltungspläne: auf mehreren Kilometern Länge werden komplette Häuserblocks niedergerissen, damit die Strasse um zwei Spuren verbreitert werden kann. Beeindruckend aber auch etwas beängstigend.
Am kommenden Tag besuchen wir die Reisterassen von Longji. Diese liegen zwei Autostunden von Guilin entfernt auf 1000 müM und werden von den Zhuang und den Yao - zwei ethnischen Minderheiten - bewirtschaftet. Die Reisterrassen bilden wohl zu jeder Jahreszeit ein tolles Fotomotiv - momentan spiegelt sich der Himmel in den mit Wasser gefüllten Terrassen; erst vor einer Woche wurden die neuen Reissetzlinge gesteckt. Hier ermöglicht das Klima jährlich zwei Reisernten. Unser Mittagessen nehmen wir im Bergdorf mitten in den Reisfeldern ein. Wüssten wir es nicht besser, dächten wir, wir sitzen im Prättigau wo wegen der lauen Winter nun neu Reis angepflanzt werden kann. Nach dem Mittagessen wandern wir durch die Reisterrassen und entdecken im Geäst eine Schlange - die erste auf unserer Reise.
Die Yao Frauen der Region sind berühmt für ihr langes Haar. Nur einmal im Leben - vor der Hochzeit - wird ihr Haar geschnitten. Diese geschnittenen Haare, sowie alle Haare, welche sie durch das häufige Bürsten verlieren, werden sorgsam aufbewahrt und täglich ins noch vorhandene Haar eingeflochten. Alle paar Tage waschen sie ihr Haar mit gegorenem Reiswasser und haben auch im hohem Alter noch glänzendes schwarzes Haar. Einleuchtend, dass es hier den Beruf Coiffeur nicht gibt.
Wir fahren zurück nach Guilin und einzig fuchst uns ein bisschen, dass uns durch den verschobenen Flug ein weiterer Tag in der Region fehlt. Schön war's hier.